Oktober 2009
Ich sitze vor meinem Computerbildschirm und suche nach Ausrüstung für eine slawische Jägerin und Fischerin, um meine Mittelalterausstattung zu komplettieren. Dabei stoße ich auf die Mittelalterwoche auf Gotland. Ich bin elektrisiert, dieses Spektakel lässt sich mit einem Langstreckentörn verbinden. Der „Einkauf“ für meine Mittelalterausrüstung ist nun erst einmal vergessen. Ich sitze 10 Minuten später über dem Übersegler der Ostsee …
August 2010 – Rønne/Bornholm
Wir sind heute Morgen mit der „Franzi“, einer Bavaria 38, nach einer Nachtfahrt von Rügen hier angekommen. Morgen wollen wir den Schlag nach Visby/Gotland antreten. Doch das Wetter spielt nicht mit. Leider naht ein Sturmtief aus Westen, dessen Ausläufer uns bereits am Abend erreichen werden.
Wir segeln mit der „Franzi“ noch nach Allinge und lassen uns auf der Ostseite Bornholms einwehen. Die Reise der „Franzi“ wird uns nicht nach Gotland bringen. Wir erkunden noch Südschweden, Kopenhagen und die dänische Inselwelt. Gotland wartet nach wie vor hinter dem Horizont …
Januar 2015 – München
Wir sitzen auf Stephans Einladung, mit Veteranen der „Intention“ und „Mephisto“ beim Chinesen. Ich erzähle von Gotland, den Konsequenzen, welche der Sturm bei Bornholm für uns 2010 hatte. Die „Veteranen“ sind infiziert und bald schon ist der alte Plan wiederbelebt. Vier feste Zusagen habe ich noch an diesem Abend. Eine passende Yacht wird gebucht und im August 2015 werden wir Gotland erneut ansteuern.
Mai 2015 – Sloten
Susanne:
„Prolog.
Moni besucht mich in Friesland. Es war nur je ein Satz. Ein Satz von Moni und ein Satz von Frank. Moni: „Für den Gotlandtörn ist noch `ne Koje frei.“ – Nein, ich bin Ende August schon eine Woche weg. Nein, ich kann die Kanzlei nicht drei Wochen in einem Monat allein lassen. Nein, wie soll ich das denn machen, Urlaubsvertretung organisieren, wer kümmert sich um die Post, Gerichtstermine verlegen, Mandanten vertrösten…. Nein, das geht nicht. Schade, wäre sicher schön geworden.
Nach Monis Besuch kreisten meine Gedanken immer wieder um Gotland. Lässt sich das irgendwie organisieren, kann das gehen – NEIN, viel zu viel Aufwand im Vorfeld, um sich die zwei Wochen freizuschaufeln.
Frank, der in den letzten 30 Jahren gelernt hat, meine Gedanken zu lesen, sagte fast betonungslos im Vorbeigehen: „Du weißt, dass man am Ende nur das bereut, was man nicht gemacht hat.“… Er verließ das Zimmer, ließ den Satz mit mir zurück. Da waren sie wieder, die kreisenden Gedanken. Lässt sich das irgendwie organisieren, kann das gehen? Ein sehr liebes Angebot von Frank, sich um meine Post zu kümmern und mich zu benachrichtigen, wenn etwas sehr dringendes dabei ist, sorgte dafür, dass Moni noch am Abend ihres Besuches beim mir KEINE Koje mehr frei hatte.
Und dann erlebte ich eine Crew, die besser nicht sein konnte. Obwohl man sagt, dass nach einer Woche auf engem Raum das Boot gefühlt an jedem weiteren Tag um einen Meter kürzer würde, stimmt das bei dieser Crew einfach nicht. Personifizierte Wertschätzung, kein böses Wort, vergleichbarer Sinn für Humor und ganz viel Rücksicht. Klasse. Tolle Erfahrung. Und dann sind wir irgendwann angekommen in Gotland. Ich entdecke Visby und sammle Eindrücke bei einer kleinen Reise über die Insel. Wenn man darüber nachdenkt, sein Leben noch einmal völlig zu verändern, dann kann es nur an der Aura dieser Insel liegen. A place to live!
Wir sind zurück in Simrishamn. Ein Schwede geht längsseits, der einhand unterwegs ist. Wir laden ihn zu einem Bier ein, kommen ins Gespräch. Wo kommst Du her, wo bist du gesegelt… Unsere Antwort: Aus Visby. Seine Reaktion: Oh, that’s far. Geographisch mag Gotland weit weg sein, meiner Seele bleibt es sehr nahe.
Epilog.
Es war ein sehr schöner Törn mit vielen neuen Eindrücken, einer guten Skipperin, einem nicht minder guten und tiefenentspannten Co-Skipper und einer ganz großartigen Crew.
Samstag, 01. August 2015; Schleswig à Breege/Rügen
1430 – „Borsti“ rollt auf die Wittower Fähre. Eine Stunde haben wir im Stau vor der Fähre zugebracht. Im Kofferraum ein Einkauf, der bis Visby reichen soll. Noch eine gute halbe Stunde, dann werde ich wieder in Breege sein. In mir kommt Vorfreude auf, ich spüre die Schmetterlinge.
1515 – Ich erkunde unserer „Marie Joelle“. Bringe die Lebensmittel an Bord, dabei treffe ich Andrea am Steg. Wir waren gemeinsam auf der „Amely“ und der „Toni Manila“ unterwegs. Langsam kommt mir Peter am Steg entgegen. Ich freue mich riesig, Peter wieder zu sehen. Er hilft mir, mein privates Gepäck an Bord zu tragen, dann laden wir sein Auto aus. Er hat, neben seinem Gepäck, unser Wasser und Bier im Auto.
1630 – Susanne, Stephan, Adi und Andreas sind mit ihrem Taxi angekommen. Jetzt ist die Wiedersehensfreude komplett, das Emotionen-Karussell in mir ist schwer zu beschreiben. Wir beziehen nun gemeinsam die „Marie Joelle“. Unsere beiden großen Jungs, Andreas und Adi beziehen ihre Einzelkabinen im Bug. Dafür müssen sie uns aus den Achterkabinen ein wenig Gepäck abnehmen. Stephan und Peter residieren an Backbord achtern, während ich mir mit Susanne die Kabine an Steuerbord teile. Wir haben zudem den Luxus von drei Sanitärräumen und einer Dusche für das Ölzeug. Ja, wir reisen diesmal fürstlich.
1900 – Wir machen uns auf zum „Boddenstübchen“. Das Essen ist lecker, Susanne lernt noch eben, dass man Störtebeker mit langem „e“ spricht und man in Meeecklenburg nur ein „e“ schreiben muss, um 3 „e“ zu sprechen, nur mit der Rechnung wird es am Ende ein wenig komplizierter. In der Summe war es ein schöner Abend.
Sonntag, 02. August 2015 – Breege/Rügen à 55° 19,5`N 014° 45,3`E
Wetterprognose DWD vom 02.08.15 0500 Ortszeit
So: SW-drehend, im Laufe des Tages 0-2 Bft.
Mo: SE über E auf S drehend, mit 2 – 3 Bft.
Di: SE 4
Mi: südliche Winde um 4 Bft, abnehmend
Do: S 3-4 Bft
Fr: S 3-4 Bft.
0700 – Auf dem Weg zur Dusche erledige ich den Wettereintrag im Logbuch. Die Dusche genieße ich so lange es geht. Und dass zwei Duschmarken am Ende verbraucht sind, ist mir egal.
Kurz vor 0800 sind alle am Tisch im Cockpit versammelt und wir genießen unser gemeinsames Frühstück. Dabei werden der Törn und die Wacheinteilung besprochen, Anekdoten ausgetauscht und ich bitte meine Mitsegler, dass jeder bitte eine Anekdote für den Reisebericht beisteuert.
0900 – Wir sehen uns die Yacht an und gehen auch auf die Vor- und Nachteile des Rollgroßsegels ein. Anschließend machen wir klar zum Auslaufen und um 1020 verlassen wir den Hafen von Breege.
Im Breeger Bodden fahren alle ein Rettungsmanöver unter Maschine. Für das Manöver unter Segeln fehlt uns der Wind. Als letzter ist der Co-Skipper, Andreas, an der Reihe. Er ist schon ein wenig überrascht, als seine Skipperin dabei ins Wasser springt, anstelle des sonst obligatorischen Fenders.
Dass er mich wieder an Bord holt, davon bin ich vollkommen überzeugt gewesen. Die kleine Episode hat deutlich gezeigt wo die Schwachstelle bei Schulungssituationen liegt, denn niemand hatte mir die „Rettungsmittel“ nachgeworfen. Das liegt mit hoher Sicherheit daran, dass es in der Ausbildung immer nur simuliert, aber nie gemacht wird, und die Crew wohl auch die Hände voll hatte, die Skipperin im Wasser zu filmen.
1045 – Wir setzen Kurs auf den Tonnenstrich, um in Richtung Hiddensee zu fahren. Die zweite Seewache hat frei bis 1400 Uhr. Ruhig brummt der Diesel mit 2000 Umdrehungen und schiebt unsere 14 Tonnen schwere Yacht nach Westen. Eine Stunde später passieren wir die Wittower Fähre.
1245 – Wir haben das Tonnenpaar 1/2 am Libben passiert. Jetzt könnten wir segeln; wenn wir Wind hätten. Also geht die Maschinenfahrt weiter, mit 2000 Umdrehungen kommen wir auf 6,5kn Fahrt durch Wasser, einen Knoten schenkt uns die Strömung. Also sind wir mit 7,5 Knoten über Grund unterwegs. Ein Radfahrer könnte problemlos mithalten, sofern Fahrräder über Wasser fahren könnten.
Unter Deck wird inzwischen gekocht. Heute gibt es Salzkartoffeln, Rotkohl und Nackensteaks. Zum Essen selbst übernimmt „Rüdiger“ das Ruder. Rüdiger ist ein sehr genügsamer Kerl. Ein wenig Strom und Daten vom Windex und GPS reichen ihm und er hält eisern unseren Kurs ein. Das ermöglicht uns zu sechst zu essen.
1400 – Wachablösung. Und ja, die Seewache Eins versucht wirklich zu schlafen. Wir wissen, dass Andreas, Stephan und Susanne uns sicher weiter fahren werden. Nur ist unser Organismus noch zu sehr auf den Tag-Nacht-Rhythmus eingestellt.
Somit sind wir gegen 1600 alle wieder an Deck. Wir machen Tee und setzen uns vor den Mast. Dort ist der Motor nicht mehr zu hören. Der Anblick der spiegelblanken, silbernen Ostsee ist verzaubernd. Der Horizont verschwindet im Dunst und somit hat der Auftakt der Reise etwas Mystisches.
Nach dem Tee legen wir uns noch einmal in die Kojen. Wir müssen ausgeruht sein, wenn wir nachher die Kameraden ablösen wollen.
1930 – 60sm liegen im Kielwasser als sich beide Wachen an den Cockpittisch zum Abendessen nieder lassen. Wieder ist „Rüdiger“ am Steuer, auch wenn Stephan den Job am Ruder gerne noch eine Weile ausüben wollte.
Das Abendessen dient gleichzeitig der Wachübergabe. Fischer, dessen Kurs nicht ganz eindeutig ist, lässt uns einen größeren Haken schlagen. Die Entscheidung dazu haben die beiden Wachführer gemeinsam gefunden. Die Skipperin haben sie dabei in Ruhe gelassen.
Immer noch liegt die Ostsee glatt vor uns. Ein wenig juckt es schon, baden zu gehen. Andererseits hält der grüne Algenzustand selbst Peter und Moni, die verrücktesten Wasserratten vom Sprung ist die Ostsee ab.
Andreas, Susanne und Stephan leisten der Wache noch etwas Gesellschaft und ziehen sich gegen 2130 in die Kojen zurück, so bleiben Adi, Peter und Moni allein im Cockpit und wechseln sich am Ruder ab. „Rüdiger“ ist leider ein wenig zu laut, um den beiden in Achterkabinen wirklichen Schlaf zu gönnen.
2230 – Dunkelgrau, wie flüssiges Blei, wirkt die Ostsee im Westen hinter unserem Heck. Die Gespräche an Deck werden immer leiser, die Nachtfahrt zieht uns in ihren Bann. Seit zwei Stunden steuern wir direkten Kurs auf die Nordspitze Bornholms zu. Im Osten ist schwarz die Kontur der Insel zu erkennen. Einzelne Lichter funkeln magisch vom Land herüber.
In der Ferne ist nun anhand der Positionslichter und Beleuchtung der dort fahrenden Schiffe das Verkehrstrennungsgebiet zu erkennen. Der Leuchtturm Hasle zeigt Adi am Steuer zuerst den Weg. Später orientieren wir uns an Hammerødde.
Montag, 03. August 2015 – 55° 19,5`N 014° 45,3`E à Allinge/Bornholm à Christiansø/Erbseninseln à 55° 37,4`N 015° 44,5`E
Wetterprognose DWD vom 03.08.15 0007 Ortszeit für die Zentrale und Nördliche Ostsee
Mo: SE über E auf S 3-4 Bft.
Di: SE 4
Mi: Ostteil SE 4-5
Do: Ostteil schwach umlaufend
Fr: S-SW 3-4 Bft.
Sa: W 5, abnehmend 6 Bft.
0030 – Vor einer halben Stunde haben Susanne, Stephan und Andreas die Wache übernommen. Zeitgleich haben wir den Kurs auf 140° geändert. Wir haben Hammerødde passiert, nun rutscht der Leuchtturm langsam achteraus.
Kurz vor Allinge übernimmt Moni das Ruder. Während sie sich einsteuert, erläutert sie uns ihren Plan zum Einlaufen in Allinge. Andreas und Peter am Vorschiff, Adi und Susanne an die Achterleinen, Stephan wird zur „besonderen Verwendung“ eingeteilt. Wir bereiten vier Festmacherleinen und sechs Fender vor, einen Fender hält Stephan als „Abhalte-Fender“ bereit.
Gut gerüstet schleichen wir uns in den Hafen von Allinge. Wie zu erwarten war ALLES belegt. Ein niederländischer Touristensegler liegt passend am Pier, gegenüber der Einfahrt. Zum Glück sind noch Leute an Bord, die wir fragen können, ob wir längsseits gehen dürfen. Die Antwort: „die anderen schlafen schon“ ist leider nicht hilfreich und lässt auf Kunden, nicht Crew schließen.
Wir versprechen keinen Lärm zu machen und legen still und leise mit der Steuerbordseite an. Nicht ganz 15 Minuten später liegt die „Marie Joelle“ sicher und fest am Touristensegler. Sogar Landstrom haben wir ergattert.
Unter Deck gibt es nun einen Anlegeschluck. Wir reden noch eine Weile und lassen den ersten Schlag Revue passieren. Es wird fast halb drei, bis alle in den Kojen sind.
Tageswerte: 95 sm – alles unter Motor.
0700 – Ich kann nicht mehr schlafen. Schon verrückt, denn wir sind eben erst gegen 0230 ins Bett gegangen! Ich schleiche mich aus der Koje und blinzle in die Sonne. Der blaue Himmel ist wolkenfrei und es sind jetzt bereits 22°C. Im Nachthemd setze ich mich ins Cockpit und genieße die Ruhe im Hafen.
Lange bin ich nicht allein, Stephan gesellt sich zu mir, dann auch bald Adi und auch Peter und Susanne gesellen sich bald zu uns. Also machen wir Frühstück und duschen. Andreas ist sichtlich überrascht, was wir unter „Ausschlafen“ verstehen, als er gegen neun zu uns kommt.
Ich habe mich inzwischen mit dem Kapitän des Touri-Seglers verständigt, wann diese auslaufen wollen. Dank Susannes sehr gutem Niederländisch, war es wirklich leicht. Wir gehen noch in Ruhe duschen.
Als ich von der Dusche zurückkomme, bemerke ich viel freien Platz im Innenhafen. Gemeinsam mit Stephan und Susanne verholen wir die „Marie Joelle“. Als Peter und Andreas vom Duschen zurückkehren, müssen sie nun ein paar Meter weiter laufen. Adi geht mit Peter, Stephan und Susanne noch zum Netto, dorthin ist der Weg nun deutlich kürzer. Sie bringen auch „Gebäck“ für den Nachmittag mit.
1045 – Am Hafenkiosk bekommen Adi und Stephan nun auch das seit einem Jahr ersehnt „Gammledægs“. Sie sind von der Größe beeindruckt. Wir sind uns einig, dass dies auch als Mittagessen ausreicht. Während des Essens, sehen wir unserem ehemaligen Innenlieger beim Auslaufen zu. Die haben das echt gut gemanagt. Zwei Schlauchboote stehen als „Bugsierboote“ zur Verfügung, um den circa 30m langen Schiff beim Drehen zu helfen. Auch in der engen Hafeneinfahrt steht ihm ein Schlauchboot zur Seite, dann werden die Masten langsam immer kürzer.
Zur Verdauung machen wir eine Runde durch den Ort und besorgen auf dem Rückweg eingelegten Hering, aus Christiansø. Das überrascht mich, soll uns aber nicht davon abhalten in Christiansø noch einen Zwischenstopp einzulegen.
Dabei sammelt Peter Eindrücke die ihn beschäftigen. Peter: „Ich kenne die Ostsee, seit ich drei Jahre alt bin. Meine Eltern wohnen seit 40 Jahren nicht allzu weit von ihr entfernt, und daher waren wir meist in den Ferien dort. Manchmal drei Wochen, manchmal nur eine, und an einigen Wochenenden oder Tagesausflügen. Und auch heute noch lege ich großen Wert darauf, mindestens ein verlängertes Wochenende im Jahr auf der Insel Poel zu verbringen. Im Laufe der Zeit habe ich viele Gesichter der Ostsee kennengelernt: Häufig ist sie grün oder grau in allen Schattierungen, ich kenne sie in tiefem schwarz, oder schwer wie Öl. Weiß von tosender Gischt kenne ich und selbst zugefroren habe ich die Ostsee schon erlebt. Auf den Anblick der Ostsee aus Allinge, unserem ersten Stop, war ich trotz allem nicht vorbereitet: ein tiefes Blau, wie man es nur aus dem Farbkasten kennt und sich an der Küste nicht vorstellen kann. Blau wie der Himmel. Blau, wie es die Fahrtensegler, eben Blauwassersegler, beschreiben und erklären, das gibt es nur auf der offenen, weiten See. Dieser Anblick hat mich sehr beeindruckt und wird einer der bleibenden Momente dieser Reise bleiben. Die anderen bleiben Geheimnis derer, die sie schon kennen…“
1200 – Wir ziehen uns aus unserer Parklücke im Päckchen heraus. Der Aussenlieger kommt dabei an den Kai und bereits eine Viertelstunde später liegt Allinge im Kielwasser. Wind? Zu wenig und das auch genau von vorn!
Also lässt die zweite Seewache den Motor die Arbeit verrichten. Nur das Ruder, will Stephan nicht an „Rüdiger“ abtreten. Die Überfahrt dauert etwas mehr als zwei Stunden. Andreas bereitet sich während der kurzen Überfahrt auf den Anleger in Christiansø vor und teilt auch bald die Crew ein.
1420 – Wir sind fest, für einen Spaziergang auf Christiansø. Andreas hat uns super neben eine kleinere Yacht gebastelt. Den Liegeplatz wies uns der Hafenmeister an, als er hörte, dass wir nur ein paar Stunden bleiben wollten.
„Tageswerte“: 110 sm – alles unter Motor.
Keine zehn Minuten später sind alle von Bord. Die Kameras dürften glühen, denn in den zwei Stunden auf Christiansø und Frederiksø entstehen insgesamt circa 160 Bilder. Die letzten Postkarten vor der langen Etappe nach Visby kommen noch in den Briefkasten auf Christiansø, dann heißt es auch bald schon wieder: „Vorbereiten zum Auslaufen.“
1625 – Wir werfen die Leinen los und fahren langsam aus dem Hafen von Christiansø. Vor dem Hafen ist ein Lufthauch zu spüren. „Wollen wir es versuchen?“ – hoffnungsvoll kommt Monis Frage. Als Antwort geht Peter vor zum Mast und öffnet die Sperre des Rollgroß, Stephan und Adi gehen an die Großschot und die Endlosleine, während Susanne und Andreas das Vorsegel bedienen. Keine fünf Minuten später stehen die Segel, der Motor ist aus!
Wir kreuzen uns von Christiansø frei. Ein wenig aufpassen müssen wir dabei auf das „Mini-Atoll“ Øesterskær. Die drei Windstärken ermöglichen uns mit voller Segelfläche, also 107m², eine Fahrt durch Wasser von 5 bis 6 Knoten, auf einem Am-Wind-Kurs. Leider ist unser Wendewinkel nicht so gut wie erhofft und wir müssen auch mehr abfallen als wir wollen um voran zu kommen. Der Kurs auf dem Holebug veranlasst Andreas irgendwann zu dem Kommentar „Gut, dann geht’s eben nach Polen.“ Dennoch freuen wir uns endlich zu segeln.
1830 – Seit Christiansø haben wir 12,3 sm zurückgelegt. Es gibt Abendessen. Bei dem schönen Wetter an Deck. Auf den Tisch kommen feuchte Tücher unter die Töpfe, dass sie bei Lage auch auf dem Tisch bleiben. Es gibt eingelegten Hering mit Pellkartoffeln, dazu Tee und Kaffee für die aufziehende Wache. Die abziehende Wache nimmt Limonade, oder Schorle.
Wir sprechen ab, das wir versuchen, die Wenden auf die Wachwechsel zulegen, das würde jedoch für die zweite Wache bedeuten sehr lange mit Kurs 160° nach Südosten zu fahren. Also schlägt Moni als Kompromiss vor, gegen 2200 Uhr eine Wende zu fahren. Kurz nach 2000 Uhr ist die erste Seewache in den Kojen.
2200 – 32,6sm seit dem Auslaufen in Christiansø. Stephan fährt die „alles entscheidende“ Wende. Was es auch immer war, es reicht um für die folgenden 30 Stunden auf dem Backbordbug, mit einem Kurs zwischen 015° und 045° nach Nordosten zu segeln! Die Freiwache hört die freudigen Gespräche im Halbschlaf mit. Andreas kann es anfangs nicht glauben, als er den COG (Course over Ground) am GPS abliest. Doch es ist so, auch wenn wir es dort noch nicht wissen, dies war bis Visby die letzte Wende!
Kurz vor dem Wachwechsel müssen sie sich noch mit ein paar Fischern herumärgern und weichen knapp am Verkehrstrennungsgebiet an der Südspitze Ølands aus.
Dienstag, 04. August 2015 – 55° 37,4`N 015° 44,5`E à 57° 20,7`N 017° 56,0`E
Die Nachtwachen sind besonders schön. Anstrengend, ja. Weil man die Müdigkeit noch sehr spürt. Schön, weil es anders ist. Nicht nur die Dunkelheit, sondern auch das Erleben. Das Schiff segelt still durch die Nacht. Du weißt die Freiwache in den Kojen. Dort ruhig schlafend, weil sie dir Vertrauen.
Die Luft ist mild und am Himmel sieht man so viele Sterne. Die Schiffe weitab sind gut zu erkennen und wirken teilweise märchenhaft. Anfangs sieht man meist nur ein oder zwei Lichter. Dann kommen schemenhaft die Silhouetten dazu. Manchmal, je nachdem wie der Wind steht, kann man auch Motorengeräusche hören. Auf unserem Kurs, östlich an Øland vorbei, kommen wir jedoch nur mit wenigen Schiffen in Kontakt.
In der Nacht nimmt der Wind auf 5 Windstärken zu. Das ist früher als in der Prognose des DWD vom Montag. Stimmt aber mit der Prognose des DMI von heute Nacht überein. Wir haben das Großsegel auf 50% und die Genua auf 90% gerefft. Dabei erreicht die „Marie Joelle“ noch sechs Knoten durch Wasser und liegt leicht am Ruder.
0400 – 55°50,4´N 016°05,7`E – 63sm seit den Auslaufen in Christiansø, 273sm seit Breege. Seit fünfzehn Minuten läuft der Motor im Leerlauf mit, zur Batterieladung. Kurz vorher haben wir die Freiwache geweckt. Susanne mit Stephan und Andreas haben nun die Wache. Die Wache von vier bis acht am Morgen. Mit wenig Schlaf, noch die Müdigkeit im Kopf und die Wärme vom Schlafsack in den Gliedern. Den Sonnenaufgang haben die drei dennoch nicht erleben können. Die Sonne ging kurz nach halb vier bereits auf. Wir freuen uns nach der Hundewache in die Schlafsäcke zu kommen. Die Wachübergabe ist kurz. Wir hatten noch Tee und Kaffee gemacht, die Kurse in der Karte und das Logbuch geführt. Seit drei Stunden arbeiten wir in der Navigation hauptsächlich mit Monis IPad und den Karten von Navionics. Die Kartensätze des Kartenplotters der „Marie Joelle“ sind hier zu Ende.
Der Schlaf ist tief und erholsam, auch wenn es nach drei Stunden schon wieder aufstehen heißen wird.
0800 – 56°06,6`N 016°31,0`E – 85sm seit den Auslaufen in Christiansø, Wachwechsel. Am Horizont erscheint ein Kriegsschiff, die Linien sind klar zu erkennen. Es hält fast zwei Stunden auf uns zu, am Funk ist nichts zu hören. Irgendwann dreht es ab und fährt seinen Kurs weiter. Wir waren also nicht sein Ziel. Immerhin hat es uns Gesprächsstoff für ein paar Stunden geliefert. Am Vormittag sehen wir eine weitere Segelyacht auf Gegenkurs, dann noch einen Küstenfrachter. Das war’s. Sonst nur wir und die See.
Gegen 1200 – Uhr rumort Stephan in der Kombüse und beginnt das Mittag vorzubereiten. Kurz vorher verschwindet Øland hinter dem Horizont, jetzt ist ringsherum nur Wasser.
Kurz vor 1300 stellt uns Stephan sein legendäres Risotto auf den Tisch im Cockpit. Wieder werden die Teller mit feuchten Tüchern gesichert und während erst Moni, dann Adi am Ruder stehen, lassen wir uns das Essen schmecken. Zum Nachtisch gibt es Doublevla – Schoko-Vanille. Gar nicht so einfach die Schüsselchen mit dem Pudding hochzubugsieren.
Um 1400 – 56°34,2`N 017°05,8`E – 120sm seit den Auslaufen in Christiansø. 35 Seemeilen haben wir während unserer sechs Stunden Vormittagswache geschafft. Nun haben wir sechs Stunden Zeit zum Schlafen. Das Rauschen des Wassers an der Bordwand wirkt beruhigend und einschläfernd.
Gegen 1730 werde ich wach. Nach einem Besuch auf der Toilette versuche ich noch einmal zu schlafen. Doch es geht einfach nicht mehr. Ich koche Tee, Kaffee und beginne mit dem Abendessen. Heute gibt es Spiralen-Nudeln mit Paprika und Tomatensoße. Alles mit frischem Gemüse selbst zubereitet.
Dann sitzen wir im Cockpit und sehen der aktiven Wache noch eine Weile bei der Arbeit zu. Fließend ist die Wachübergabe und bald nach 2000 sind die drei unter Deck verschwunden. Ich habe noch ein Hüngerchen und mach mir ein Nutellabrot. Auch Adi nimmt eins, obwohl das sonst gar nicht seine Art ist. Das ist schon komisch auf See, da schmecken auf einmal ganz andere Mahlzeiten.
2100 – Wir sehen unsere Bekannte, die Wachfregatte von heute morgen, im Sonnenuntergang wieder. Kurz vorher haben wir auf der anderen Seite Land gesichtet. Gotland. Es ist ein merkwürdig schönes Gefühl Land zu sichten. Land, von dem ich seit sechs Jahren geträumt habe.
Wieder fasziniert uns der Sonnenuntergang auf See erst gegen 2300 ist es wirklich dunkel. Die Luft ist immer noch fast 17°C warm, doch der frische und böige Wind, mit fünf bis sechs Windstärken, an der Grenze zur Sieben, kühlt doch. So sind wir über unsere winddichten Fischerpullis froh.
Wir rätseln lange über drei merkwürdige rote Lichter, die wir nicht zuordnen können. Es sind keine Leuchttürme oder Tonnen eingezeichnet. Ich finde keine Lösung und übergebe das Rätsel als solches während der Wachübergabe an Andreas.
Tageswerte: 284sm, davon 174 gesegelt.
Mittwoch, 05. August 2015 – 57° 20,7`N 017° 56,0`E à Visby/Gotland
0000 – Ich bin echt froh, ins Bett zu können. Mir zieht es sowas von die Augen zu. Dankbar übergebe ich Andreas die Wache und begebe mich in Morpheus Arme.
Von Geschepper und Geklapper an Deck werde ich wach. Die Kollegen reffen gerade. Also hat der Wind noch zugenommen. Ein Blick auf die Uhr sagt mir, es ist 0300. Ich ziehe mich an und gehe der Wache zur Hand. Wirklich gebraucht werde ich nicht, aber eine Hand mehr an der Winsch ist immer gern gesehen.
Im Anschluss mache ich uns einen Tee, dabei klärt mich Andreas über die rätselhaften Leuchtfeuer auf. Sie stehen sehr weit im Landesinneren und sind für die Luftfahrt. Man kann sie sehr schön als Ansteuerung auf Visby verwenden.
Visby liegt direkt vor dem Bug. Wir haben seit Mitternacht weitere 24 Seemeilen zurückgelegt. So ergibt es sich, dass wir im Morgengrauen in Visby einlaufen. An Bord ist die Freude zu spüren, alle haben leuchtende Augen!
Das Anlegen wird noch einmal spannend, im Hafen überrascht mich eine Strömung die meine geplante Drehung vereitelt. Wir treiben an eine am Pier liegende Motoryacht. Und hier liegen echte Motoryachten! Das sind Schiffe von 60-Fuß aufwärts. Nur mühsam bekomme ich die „Marie Joelle“ von der Yacht weg. Da ich die Strömung im Hafen nicht einschätzen kann, entschließe ich mich gar nicht erst nach einer freien Box im vollen Hafen zu suchen. Bei dieser eingespielten Crew reichen wenige Worte. „Ich gehe mit Backbord da vorne an den Steg und dampfe in die Achterleine ein.“ Nur Dank der Unterstützung meiner tollen Crew klappt das Anlegemanöver reibungslos. Gemeinerweise fängt es mitten im Anlegemanöver auch noch an zu regnen. Nachdem es bisher nie geregnet hatte!
Um 0415 sind wir in Visby/Gotland fest. Wir haben die letzten 160 Seemeilen auf einem Bug gesegelt. Es war die Wende von 2200! Tja Stephan…
Die letzten von uns gehen circa 0500 ins Bett, nach einem ausgiebigen Anlegeschluck.
Tageswerte: 296,3sm, davon 196,3sm gesegelt.
1100 – Stephan ist auch schon wach, ich habe ihn herausgehen hören, obwohl er echt leise war. Träge komme ich aus dem Bett und tapse in den Salon. Kurz darauf gesellt sich Adi zu mir. Wir beschließen zum Hafenmeister zu gehen, um uns anzumelden. Dieser Verwaltungsakt dauert fast eine Stunde. Aber wir haben jetzt W-Lan-Codes, können duschen gehen und unsere Liegegebühr für zwei Tage entrichtet.
Duschen, das ist ein gutes Stichwort und bald darauf sieht man immer mehr Duschtücher an der Reeling der „Marie Joelle“ hängen. Zeitgleich wird das Frühstück vorbereitet. Adi hat frische Brötchen organisiert. Und unser Co-Skipper ist wieder einmal von dem geringen Schlafbedürfnis der Crew beeindruckt.
1300 – Wir haben uns „Landfein“ gemacht, die Fotoapparate eingepackt, SD-Karten überprüft und sind nun unternehmungslustig in die Stadt. Adi ist der „Stadtführer“ und bald tauchen wir in die Atmosphäre der „Medeltidsveckan på Gotland“, der Mittelalterwoche auf Gotland, ein. Die historischen Gewandungen passen viel besser in das Stadtbild, als unsere moderne Kleidung. Es scheint fast, als wären nur die Touristen nicht in historischer Gewandung auf der Straße. Meine Gedanken gehen zurück zu Friedhold, Denise, Christoph und Martin – der Crew der „Franzi“, doch die immensen Eindrücke wischen diese Gedanken bald weg.
Wir erleben eine Parade mit Spielmannszug, trinken ein kühles Heinecken (Der Preis haut uns fast vom Schemel!), dafür ist Wasser kostenlos und genießen die Aussicht über die wunderschöne Altstadt von Visby.
Wir besorgen in der Stadtinformation Karten für das Turnier am Freitag und können für morgen sogar noch einen Leihwagen ergattern, um eine Inselrundfahrt zu machen. Zufrieden kehren wir an Bord zurück.
1730 – Und hier an Bord zaubert unser Maître de Cuisine Stephan seine legendären Spaghetti mit Rucola-Walnuss-Pesto, dazu einen frischen Salat und deutsches Bier, oder guten Wein, aus unseren Bordbeständen. Anschließend steigen wir in die Mitgebrachten Gewandungen, naja noch nicht alle. Adi und Andreas bleiben an Bord, so gehen zuerst nur vier von uns noch einmal in den Ort.
Leider ist der Markt schon dabei zu schließen. Der Sonnenuntergang, über der spiegelglatten Ostsee, dazu die vielen kleinen Gruppen die Musik machen, die spielenden Kinder am Ufer, in der lauen Dämmerungszeit. Diese Eindrücke haben sich sehr tief eingeprägt. Sie vermitteln mir auch jetzt wieder ein Gefühl von Frieden und Geborgenheit.
An Bord zurück lassen wir den Abend still bei einem Glas Wein oder einer Flasche Bier ausklingen.
Donnerstag, 06. August 2015 – Visby/Gotland – Hafentag und Inselrundfahrt
Nach dem Frühstück machen sich Andreas, Stephan und Moni auf den Weg, den Leihwagen abzuholen. Wir haben uns diverse Spots, die mit der Geschichte Gotlands, der Wikinger und Vitalienbrüder zusammen hängen, heraus gesucht. Die Villa Kunterbunt steht inzwischen in einem Vergnügungspark. Schade, wir hätten sie sonst mit auf die Liste gesetzt.
Andreas ist an diesem Tag ein aufmerksamer und sehr guter Chauffeur, allerdings hat Moni zu Beginn bei der Landnavigation ein paar Probleme. Dadurch finden wir zwar eine 3500 Jahre alte Schiffssetzungen in Gnisvärd bei Tofta, und einen Truppenübungsplatz. Doch an der nächsten Tankstelle wird eine brauchbare Straßenkarte gekauft. Die Karte aus der Touristinformation dient nur noch der Inspiration.
Wir erkunden das Wikingerdorf in Tofta, die Bildsteine von Stora Hammars, die eindrucksvolle Anlage der Thorsburg und das malerische Fischerdorf Katthammarsvik auf der Ostseite der Insel. Die Rückreise für uns durch die Geschichte des deutschen Ritterordens und der gotischen Kirchen.
Erschöpft erreichen wir wieder Visby, nutzen den Leihwagen noch, unsere Bordvorräte zu ergänzen und dann lassen wir den Abend an Bord gemütlich ausklingen. Die abendliche Kaperung durch umherziehende Piraten können wir durch ein Schutzgeld in Form von bestem Portwein verhindern.
Freitag, 07. August 2015 – Visby/Gotland – Hafentag und Ritterturnier
Wetterprognose DWD vom 06.08.2015 2228 Ortszeit
Trend für die Ostsee:
Sonnabend NW 4-5,
Sonntag N 4,
Montag auf SW auf E drehend von 3 auf 4 auffrischend,
Dienstag SE 4
Das Wetter sieht richtig gut für die Rückreise aus. Also an die Arbeit. Wir machen nach dem Frühstück los und fahren zur Tankstelle. Peter hin und Andreas zurück. Wir legen uns passend an den Steg um auch Frischwasser zu bunkern. Heute stehen kleinere Besorgungen von Andenken, Tanken und Frischwasserbunkern und kleinere Reparaturen auf dem Plan. Moni und Peter verzichten auf die Dusche. Sie gehen einfach schwimmen und spritzen sich im Anschluss mit dem kalten Wasser auf dem Steg ab. Und am Nachmittag machen wir uns alle fein, um korrekt in mittelalterlicher Gewandung zum Turnier und auf den Markt gehen zu können.
Adi: „Nach Visby, Schweden, zum Mittelalterfest, aufm Segelboot, ein Traum. Aber der Haken: Jeder geht verkleidet! Verkleidet zu sein, ich weiß nicht.
Na ja, dann gehe ich als Zwerg. Kaum schreibe ich das in der E-Mail, kommt auch prompt die Antwort von Susanne: „Adi als Zwerg, davon will ich ein Bild“. Das habe ich nun davon. Ich suche ein Zwergen-Kostüm, ist doch einfach, Angebote gibt es genug. Aber nach einer Stunde die Ernüchterung: Teuer und die Schminke würde mir überall hinlaufen, es ist Sommer in Visby. Ich brauche etwas Einfacheres. Ich finde eine Kutte, aber welche Farbe? Ich entscheide mich für weiß, der Wanderprediger. Sofort bestellt, schnell geliefert, anprobiert, passt. Das ist es. Hoffentlich ist das Wetter nicht so warm, sonst ist schwitzen unter der Kutte angesagt.
Dann kommt der Tag in Visby, Premiere: Adi verkleidet! Schnell anziehen und schon geht es los. Das Foto vor dem Schiff ist obligatorisch, habe jetzt meinen Mönchsbeweis. Ab in die Stadt, aber kaum sind wir in der Stadt, bin ich auch schon umringt von einer Gruppe, sehr fremdländisch sprechend. Und bevor ich es richtig realisiere, werde ich mitten in der Gruppe fotografiert.
Kaum ist dieses Shooting vorbei, kommen schon die Nächsten, wieder eine für mich unverständliche Sprache, sie fragen, ich nicke, wieder ein Foto mit mir als Wanderprediger in der Mitte. Plötzlich ist der Spuk vorbei, ich habe ab jetzt kein Shooting mehr. Sind das alles Passagiere von den 3 Kreuzfahrschiffen, die vor ein paar Stunden in den Hafen eingelaufen sind?“
Der liebe Adi war als Wanderprediger wirklich ein Magnet der Kreuzfahrttouristen und musste viele Bilder aushalten. Auf dem Markt hatte er dann aber seine Ruhe. Doch auch Stephan als Kaufmann und Susanne, die sogar zwei selbstgeschneiderte Gewänder dabei hatte, waren eine Augenweide. Peter und Moni repräsentierten die einfachen Freien des Landvolkes, so waren wir alle sechs gut unterwegs.
Der Markt lebte wirklich, hier traten Musiker, Spielleute, Theatergrüppchen auf, überall konnte man mittelalterlich einkaufen und speisen. Das Turnier war anders als in Deutschland. Weniger technischer Aufwand, eher an historischen Vorbilder orientiert. Die Ritter mussten in allen Künsten antreten, Bogenschützen präsentierten ihre Fertigkeiten im Wettkampf und auf den Bänken nahmen wir noch einen Ohrwurm mit „uhhh uhhh“…
Diesen Abend waren wir alle vor Mitternacht in der Koje, morgen wollten wir früh raus.
Samstag, 08. August 2015 – Visby/Gotlandà 56°27,0`N 016°44,3`E
Wetterprognose DWD vom 08.08.15 0538 Ortszeit für die nördliche und zentrale Ostsee
Nördliche Ostsee: S-SW 3 bis 4 Bft., später westdrehend und Gewitter mit Schauerböen
Zentrale Ostsee S-SW 3 bis 4 Bft., später westdrehend und Gewitter mit Schauerböen, ab Mitternacht W 3-4 Bft, norddrehend und abnehmend.
0800 – Peter fährt den Ableger und vor dem Hafen drehen wir anfangs nach Norden. Wir wollen die Kulisse Visbys noch von See aus sehen. Leichter Dunst schafft eine einzigartige Atmosphäre, auch wenn dadurch die Fotos nicht klar und scharf werden können.
Eine halbe Stunde später drehen wir den Bug nach Süden, in Richtung Heimat. Peter übergibt „Rüdiger“ das Steuer, denn der vorhergesagte Wind fehlt. Anstatt mit raumen Wind abzulaufen, nagelt nun der Diesel und schiebt uns durch die spiegelglatte See.
An der Backbordseite zieht Gotland vorbei und wir beginnen mit diversen Zeitvertreiben. Die Freiwache liest und entspannt. Die Wachmannschaft plaudert und kontrolliert regelmäßig Kurs und Wetterlage. Viel zu tun ist derzeit nicht. Unser Kurs zielt direkt auf die Südspitze Ölands und wir lassen pro Stunde sechs Seemeilen hinter uns.
Immer wieder versuchen wir zu segeln. Bei jedem kleinen Auffrischen des Windes ziehen wir die Segel raus und stoppen den Motor. Mal reicht der Wind eine halbe Stunde, einmal auch fast eine Stunde. Aber leider schläft er immer wieder ein, so dass unsere „Eisenfock“ immer wieder aushelfen muss. Das wird den ganzen Tag so gehen.
Mittags gibt es Spaghetti mit Paprika und Champignon, Stephan hat seine Freude daran, uns kulinarisch zu verwöhnen. Und um 1400 ist Wachwechsel. 32 Meilen sind geschafft, bis Simrishamn sind es noch circa 170 Seemeilen.
Wir beginnen unsere Freiwache mit einem Kartenspiel. „Wizard“ zieht uns in seinen Bann und wir vergessen fast schlafen zu gehen. Ein paar Stunden Schlaf holen wir uns noch, damit wir nach dem Abendessen ausgeruht die Kameraden ablösen können. Zum Abendessen gibt’s „Reste von gestern“.
Peter und Moni braten die übrigen Spaghetti auf und machen einen gemischten Salat dazu. Wieder wird die Wachübergabe während des Essens erledigt und der liebe „Rüdiger“ hält eisern den Kurs.
2000 – 56°49,5`N 016° 58,1`E – 70 Seemeilen seit Visby. Wieder ein Wachwechsel. Wir nehmen eine leichte Windzunahme wahr. Um 2200 dann endlich ausreichend Wind zum Segeln. Wir setzen die Segel und machen die Maschine aus. Die „Marie Joelle“ legt sich leicht auf die Backbordseite und nimmt Fahrt auf.
Wir segeln in die Nacht, die uns wieder mit ihrem eigenen Charme empfängt. Im Westen sind aus den Cirren inzwischen Altostratus und einzelne Altocumulus geworden. Der Luftdruck beginnt langsam zu steigen.
Sonntag, 09. August 2015 – 56°27,0`N 016°44,3`E à Simrishamn/ Skåne – Schweden
0000 – Andreas mit Susanne und Stephan übernehmen. Wir gehen müde zu Bett, während die drei die Hundewache übernehmen. Der Wind lässt ein immer mehr nach, doch sie können bis Wachwechsel weiter segeln, wenn auch langsam. Im Westen beobachten sie zunehmend Wetterleuchten und auch schon einzelne Blitze. Wir bekommen von allem nix mit, da wir unter Deck gut schlafen.
Stephan: „Wache ist schön, wenn…:
Das erste Mal in einem Wachsystem zu fahren – was wird da auf mich zukommen, wie ist das mit dem Wachwechsel und den geänderten Ruhe bzw. Schlafzeiten? Diese Fragen beschäftigten mich vor dem Törn. Um es vorweg zu nehmen, Wache ist schön wenn….
Es war auf dem Rückweg von Visby nach Simrishamn Susanne, Andreas und ich hatten die 00.00 bis 04.00 Wache. Es war leichter Wind zum Anfang unserer Wache, der dann soweit abflaute, dass wir überlegten die Segel einholten und das „Volvo-Segel“ zu aktivieren. Die See ruhig und nur am Horizont ein leichtes Wetterleuchten das von West nach Ost zog also unsere Richtung kreuzte – aber wie gesagt noch weit weg.
Die Stunden vergingen, wir machten langsam Strecke. Das Wetterleuchten kam näher aber noch kein Donner zu hören, wobei jetzt schon vereinzelte Blitze zu sehen waren. Gewitter auf See?!.
Dann 04.00 Uhr Wachwechsel mit frischem Tee und Kaffee für die neue Wache und der Info bei der Übergabe zum Kurs, Sichtungen und natürlich Wetter. Hier waren es dann schon deutlich mehr Blitze und ein vereinzeltes Grollen war auch dabei.
Ich machte mir auch noch einen Tee bevor es in die Koje ging. Gesagt getan und zum „Gute Nacht“ noch einen Blick in die Plicht. Oha, alle im Ölzeug und die ersten Tropfen – nichts wie unter Deck. Im Schlafsack eingewickelt hört sich das Prasseln auf das Kabinendach sehr beruhigend an. Ich habe geschlafen wie ein Stein und bin durch das wecken um 07.30Uhr erst wieder aufgewacht. Moni, Peter und Adi schilderten die letzten Stunden, die Sie bei Regen und Gewitter mit Blitz und Donner verbracht hatten und froh waren, dass die Blitze nicht in das Boot eingeschlagen hatten.
Susanne und Andreas hatten schlecht geschlafen aber ich habe nichts mitbekommen und musste für mich feststellen- eine kompetente Crew die Wache hat und dann selbst Freiwache in der warmen Koje – Wache ist schön, wenn man Freiwache hat.
Danke Moni, Adi und Peter, dass ihr uns sicher durch das Gewitter gebracht habt.“
Wie von Stephan schon beschrieben, setzt direkt nach der Wachübernahme ein sintflutartiger Regen ein. In Gedanken mit „Kommt der Regen vor dem Wind,…“ holten wir sofort die Segel ein und starteten die Maschine. Doch die Böen hielten sich in Grenzen. Ich ließ den Kurs dichter unter Land legen. Adi und Peter wechselten sich am Ruder ab, ich kümmerte mich um die Navigation. Das Handfunkgerät und ein Hand-GPS, sowie mein Handy hatte ich in den Backofen getan. Keine Ahnung, ob es wirklich notwendig war.
Die Blitze kamen immer näher, das Donnergrollen auch. Einem Gewitter ausweichen ist eher Glück. Ein Glück, was ich schon mehrfach hatte. Dann, gegen 0520 krachte es fast dauernd, wir stoppten zwei bis drei Sekunden zwischen Blitz und Donner. Demzufolge war das Gewitter weniger als ein Kilometer weg.
Eine halbe Stunde später entfernten sich die Blitze, das Donnergrollen ließ nach, der Regen auch. Für eine Stunde setzten wir sogar wieder die Segel. Doch der Wind ließ uns dann wieder im Stich.
0730 – Ich wecke die Freiwache und setze Kaffeewasser an. Der Himmel lockert wieder auf. Die Emotionen des Erlebten lassen uns sehr lebhaft von dem Durchfahren des Gewitters berichten. Stephan, Susanne und Andreas übernehmen sichtlich müde die Wache. Viel geschlafen haben die drei leider nicht.
Für mich und meine beiden Jungs der Wache eins, gibt es jetzt erst einmal einen Grog. Es ist außergewöhnlich wenn ich auf See Alkohol zulasse. Doch zum einen haben wir nun sechs Stunden frei. Das reicht, den Rum zu verdauen. Zum anderen schlägt man nicht jeden Tag eine Einladung an Odins Tafel aus!
1145 – circa 155 Seemeilen seit Visby. Ich werde wach und muss mich orientieren. Ich war vollkommen weg. Lag das am Grog? Ich fühle mich frisch und schaue in der Kombüse vorbei. Dort steht frischer Kaffee. Ich schnappe mir eine Tasse und gehe an Deck. Dort, blauer Himmel, fast 25°c, eine entspannte Wachmannschaft und wir segeln zur Abwechslung mal auf Steuerbordbug.
Als Adi zu uns stößt, spielen wir noch eine Stunde Wizard. Dann beginnen wir uns Gedanken um das Essen zu machen. Ein kurzer Blick an Deck; ja, wir werden draußen essen. Zurück in der Kombüse beginne ich Zwiebeln zu schälen. Während ich dies mache, fällt mir ein Zitat von Wilfried Erdmann aus seinem Buch „Ein unmöglicher Törn“ ein. „Wenn ich koche, und das passiert häufig, beginne ich mit Zwiebelschneiden – ohne genau zu wissen was es geben soll.“ (S.68) Im Gegensatz zu Wilfried weiß ich genau, was es geben wird. Farfalle mit gebratenen Zucchini und Paprika in Tomaten-Chili-Soße. Peter unterstützt mich beim Kochen. Kochen bei Lage ist Kombüsensport, ganz ehrlich.
Die feuchten Tücher für die Teller sparen wir heute. Nur der Topf mit den Nudel und Soße, steht so sicher auf dem Tisch. Jeder hält seinen Teller in der Hand, bis auf den Mann am Ruder. Denn diesmal ist „Rüdiger“ nicht an Steuer. Doch eine leichte Rotation sorgt dafür, dass jeder warmes Essen im Bauch hat.
1345 – Der Wind macht eine kurze Verschnaufpause, wir nutzen das Nachlassen der Fahrt durch Wasser zum Baden gehen. Adi bleibt gerne am Steuer. Doch Stephan und natürlich Peter lassen es sich nicht nehmen, genau wie Moni, sich an einer Leine von der Yacht durch die glasklare Ostsee ziehen zu lassen. Diesmal präsentiert sie sich leider eher türkis-grün.
Als der Wind wieder zulegt, wird es sehr schwer sich bei fast vier Knoten Fahrt an der Leine an Bord zurück zu ziehen. Adi geht kurz in den Wind um es mir zu erleichtern an Bord zu kommen. Danke Adi.
1615 – Wir haben seit dem Mittag zwar 20 Seemeilen im Kielwasser zurück gelassen, doch nur vier Meilen kreuzend auf das Ziel geschafft. Obwohl wir guten Segelwind haben, machen wir zu wenig Höhe um nach Simrishamn zu kreuzen. Wir stimmen ab, ob wir noch eine Nacht auf See bleiben wollen. Das Ergebnis ist, dass wir den Motor starten und auf direkten Westkurs gehen.
1800 – Wir sind fest in Simrishamn, am gleichen Steg wie fünf Jahre zuvor die „Franzi“. Hier schließt sich also wieder ein Kreis. Peter fährt den Anleger und 34 Stunden nach unserem Auslaufen haben wir 201,5 Seemeilen zurückgelegt. Davon konnten wir diesmal leider nur 74,1 Seemeile segeln, der Rest waren Motormeilen.
Tageswerte: 507,8 sm, davon 270,4 sm gesegelt.
Wir lassen es uns in den Duschen gut gehen. Und nach dem Abendessen, zu dem uns Stephan und Andreas mit einem tollen Salat überraschen, kommt es noch zu dem Plausch mit dem schwedischen Segler, von dem Susanne bereits berichtet hat. Er ist Einhand von Kopenhagen gekommen. Das sind immerhin auch 100 Seemeilen Nonstop. Und diese, allein!
Montag, 10. August 2015 – Simrishamn/Schweden à 55° 28,17´N 014° 19,83´E
Wetterprognose DWD vom 10.08.15 0538 Ortszeit für die zentrale, südliche und westliche Ostsee
Zentrale Ostsee: schwachwindig umlaufend
Südliche Ostsee: schwachwindig umlaufend
Westliche Ostsee: E 2-3 Bft, später zunehmend, Schauerböen
Aussichten bis Dienstagmittag:
Westliche Ostsee: E – NE 3-4 Bft
Boddengewässer Ost: E – NE 3-4 Bft.
0900 – Ich habe geschlafen wie ein Murmeltier. Vor einer Stunde war ich mit Stephan frische Frühstücksbrötchen holen, dann haben wir Frühstück gemacht und nun sammeln sich alle langsam bei Tisch.
Wir sammeln den Bedarf an Vorräten, die wir ergänzen müssen und beschließen, dies am Vormittag zu erledigen. Nachmittags wollen wir einen „Monsterwindbeutel“ und Kaffee/Tee in der Einkaufsmeile genießen, und um 2000 werden wir auslaufen. Wir haben überlegt wie wir die verbleibenden Tage nutzen und beschlossen die Reise mit „Rund Rügen“ zu beenden. Also wird Lohme unser nächster Zielhafen werden. Wir wollen dort zum, oder nach, dem Frühstück einlaufen und abends im „Daheim“ speisen.
Mittag fällt heute aus, wir dösen in den Tag. Einige gehen auch noch allein in die Stadt und erkunden Simrishamn.
1540 – Pünktlich zum Kaffee treffen wir uns im Café in der Einkaufsmeile und genießen die leckeren Windbeutel. Im Anschluss verteilen wir uns noch einmal in der Stadt.
1900 – Das Abendbrot haben uns der Maître de Cuisine und Susanne zubereitet, den Salat haben Peter und ich beigesteuert. Adi und Andreas hatten die Navi vorbereitet. Nun sitzen wir beim Abendessen. Die letzten Kronen sind nicht verbraucht, doch morgen früh werden wir wieder in Deutschland sein.
2000 – Pünktlich legt Stephan ab, wir laufen aus und verlassen Simrishamn. Direkt hinter dem Hafen setzen wir die Segel und der Motor ist aus. Unser Kurs führt uns entlang der Ostküste Skånes nach Süden. Mit einem Generalkurs von 195° steuern wir Lohme/Rügen an. Der Sonnenuntergang hinter der Küstenlinie ist malerisch. Aber, wir müssen ins Bett, denn um Mitternacht wird unsere Aktion gefordert sein.
Dienstag, 11. August 2015 – 55° 28,17´N 014° 19,83´E à Lohme/Rügen
0000 – 19,6 Seemeilen sind wir seit dem Auslaufen gesegelt. Jetzt gehen wir; Adi, Peter und ich, in die Kojen. Doch, leider ist nach einer Stunde der Wind weg. Wir dümpeln mit 1,5kn Fahrt dahin. Und das, direkt am Verkehrstrennungsgebiet!
Ungern gibt Andreas die Anweisung die Segel zu bergen und den Motor zu starten. Doch wir wollen vorankommen und müssen korrekt das Verkehrstrennungsgebiet queren. Auch wenn die Freiwache jetzt den Motor ertragen muss.
Die Lichter der Fahrzeuge sind beeindruckend. Kreuzfahrtschiffe, große Tanker, Containerschiffe und kleine Fischer. Dazu noch eine Baustelle auf See. Alles da. Ein wenig Verwirrung entsteht schon, doch das Radar hilft, die Lage besser zu analysieren. Susanne und Stephan nutzen die Gelegenheit, sich mit dem Radar zu befassen.
Einmal klingt es als ob sie einen Torpedoangriff in Schnellbootmanier fahren wollen. Neugierig gehe ich hoch. Doch bald schon bin ich wieder im Schlafsack.
0400 – Wachwechsel. Andreas weckt mich eine halbe Stunde vorher, ich ziehe mich an und mache Wasser heiß. Erst mal eine Tasse Kaffee. Rügen ist bereits am Horizont, als dunkler Schatten, auszumachen. Wir überlegen ob das Einlaufen noch in dieser, oder erst der kommenden Wache erfolgen wird. Dann gehen die drei zur verdienten Ruhe.
Gemeinsam mit Peter ändere ich unsere Beflaggung. Die schwedische Gastlandflagge kommt nach Backbord, gemeinsam mit dem Dannebrog, der Bornholmer und Gotländer Flagge ziert sie nun unsere Backbordseite. An Steuerbord weht wieder die rote Flagge von M² – Segeln mit Herz. Wir sind stolz auf unsere Leistung. Ja, wir waren in Visby.
Immer besser können wir Arkona, Lohme und die Masten von Rügen Radio erkennen. Peter ist genauso berührt wie ich. Beide sehen wir unsere Heimat, Mecklenburg-Vorpommern, nur noch sehr selten. Wobei ich inzwischen in Schleswig-Holstein, nach fast 25 Jahren in Bayern, angekommen bin.
Wir trinken noch einen Kaffee zu dritt und schmieden leise den Plan, die anderen drei in Lohme aufwachen zu lassen. Doch die spielen einfach nicht mit. Sie kommen so nach und nach von ganz allein an Deck. Alle drei!
So breiten wir nun die „Marie Jolle“ gemeinsam aufs Einlaufen vor. Diesen Anleger fahre ich selbst. Lohme ist mit 45 Fuß nicht zu verachten, auch weil am Morgen in der Hochsaison der Hafen sicher proppenvoll sein dürfte. Ist er auch.
0800 – Wir ergattern noch ein Plätzchen am Fischersteg, direkt gegenüber der Einfahrt. Ich kläre die Lage mit dem Hafenmeister, der gibt seine Zustimmung, wir können bis morgen früh dort liegen bleiben. Danke. Seit Simrishamn waren es 66 Seemeilen, davon konnten wir 42 Seemeilen segeln.
Dann heißt es duschen und Frühstück. Adi, Stephan und Susanne machen sich im Anschluss auf den Weg zum Königsstuhl. Der Rest von uns legt sich anschließend noch ein wenig hin.
Nachmittags genießen Susanne, Peter und ich im Cafe Niedlich ein paar schöne Stunden. Und am Abend besuchen wir die Gaststätte „Daheim“. Alle stimmen zu, das Essen ist sehr gut, aber diese Portionen sind mächtig.
2200 – Nachtruhe, wie merkwürdig, doch ab morgen haben wir nur noch Tagestörns.
Tageswerte: 576,1 sm, davon 312,5 sm gesegelt.
Mittwoch, 12. August 2015 – Lohme/Rügen à Stralsund
Wetterprognose DWD vom 12.08.15 0533 Ortszeit für die westliche Ostsee
Boddengewässer Ost: NW – N 3 – 4 Bft, im Laufe der Nacht nordost-drehend
0850 – Susanne dreht die „Marie Joelle“ am Steg, dann kann sie vorwärts raus fahren. Vor dem Hafen kommen die Segel hoch, schon geht’s parallel zur Küste ostwärts. Es wird ein entspannter Tagestörn. Jeder kommt auf seine Kosten am Ruder und ehrgeizig versuchen wir bis zur Ziegelgrabenbrücke im Strelasund aufzukreuzen. Doch um noch rechtzeitig die Brückenöffnung zu erwischen muss dennoch der „Volvo-Wind“ helfen.
1815 – Leider sind wir dann doch eine dreiviertel-Stunde zu spät.
Also gibt’s an Bord zu Abend „Reste von gestern“. Ich muss sagen, dank Stephan war es eines der besten Reste-Gerichte, die ich je gegessen habe. Die Wartezeit am Pier des Bauhofes wird mit der Ziegelgrabenbrücke im Licht des Sonnenuntergangs sehr romantisch. Es ist ein verzaubernder Anblick und an Bord schweigen alle und genießen den Moment.
2205 – Wir sind fest im Kommunalhafen der Hansestadt Stralsund. Genau gegenüber der „Gorch Fock1“ und hinter einem Touristensegler. Heute haben wir 51,9 Seemeilen zurückgelegt, das kommt uns merkwürdig wenig vor. Wir versuchen noch ein „Störtebeker“ im Klabautermann zu erhaschen, doch dort ist wegen Reichtum jetzt schon zu. Hallo? Es ist Hochsaison!
Glück haben wir dann im „Ristorante Bellini“, wo wir noch ein Gläschen bekommen. Morgen wollen wir einen Stadtbummel machen und die Führung genießen, bevor wir nach Vitte fahren. Zusätzlich will sich Almuth mit uns treffen.
Tageswerte: 601,8 sm, davon 339,5 sm gesegelt.
Donnerstag, 13. August 2015 – Stralsund à Vitte/Hiddensee
Wetterprognose DWD vom 13.08.15 0528 Ortszeit für die westliche Ostsee
Boddengewässer Ost: N 3 – 4 Bft, im Laufe der Nacht nordost-drehend
Nach dem Frühstück gehen meine Mitsegler los. Sie werden die Stadtführung mitmachen. Ich bin an Bord mit Almuth verabredet und wir beide schnacken bis zum vereinbarten Zeitpunkt, wo wir uns mit dem Rest am Fischimbiss treffen. Am Ende hat jeder seinen Vormittag optimal genossen.
1230 – Susanne legt ab und fährt aus dem Hafen. Ein kurzer Blick zum Verklicker sagt mir, heute ist Motorboot angesagt. Pech. Die anderen glauben es dennoch erst nach einem Blick auf die Seekarte.
Beeindruckt sind alle von der Enge des Fahrwassers im Bodden. Besonders die beiden Engstellen im Kubitzer und Schaproder Bodden faszinieren immer wieder.
1630 – Wir sind fest im Kommunalhafen von Vitte/Hiddensee. Wir liegen außen an einer schönen Motoryacht. Gemeinsam mit Stephan gehen Peter und ich auf die Westseite der Insel. Eigentlich wollten wir baden. Doch das Wasser ist eisig. Auch Peter und Moni sind sehr bald wieder aus dem Wasser raus. Als wir zum Boot zurückkommen, bemerken wir einen Flusskreuzfahrer direkt hinter unserem Heck. „Auf das Ablegemanöver morgen freue ich mich schon besonders.“ geht mir durch den Kopf.
Das Abendessen im „Godewind“ wird noch einmal ein Erlebnis der Sinne. Es folgt ein beschaulicher Abend an Bord. Wir lassen die Reise langsam ausklingen. Doch ein Highlight erwartet uns noch.
Tageswerte: 617,6 sm, davon 339,5 sm gesegelt.
Freitag, 14. August 2015 – Vitte/Hiddensee à Breege/Rügen
Wetterprognose DWD vom 13.08.15 0528 Ortszeit für die westliche Ostsee
Boddengewässer Ost: NE 2 Bft, im Laufe des Tages zunehmend
Stephan hat sich von meinen Worten zum Leuchtturm Dornbusch zu einem morgendlichen Joggingausflug animieren lassen. Er schickt mir früh am Morgen via Facebook-Messenger ein tolles Bild vom Sonnenaufgang am Dornbusch. Mich überrascht bei diesem sportlichen Mann überhaupt nichts mehr.
Ich kümmere mich inzwischen um den Frühstückstisch. Zum ersten Mal auf dieser Reise essen wir wirklich unter Deck! Kurios.
Im Anschluss erkläre ich, wie ich vorhabe, uns hier heraus zu zirkeln. Das Manöver dürfte heikel werden. Da uns gegenüber drei Yachten im Päckchen liegen, an unserem Heck ein Fahrgastschiff liegt und ich nicht weit drehen kann. Ich muss also wie ein Pendel das Boot seitwärts versetzen. Die Möglichkeit anzustoßen, ist an vielen Stellen gegeben.
0845 – Wir sind raus, das Manöver hat geklappt und ich bin dennoch schweißgebadet. Die letzten Meilen nach Breege werden dafür sehr entspannend, auch wenn wir nicht mehr segeln können. Zu wenig Wind von vorn ist doof. Zu viel erst recht!
1230 – Wir sind fest in Breege. Das Ende der Reise. Mir klemmt ein Kloß im Hals! Ich gehe eine Runde durch den Hafen und dann beginnt der übliche Abschusspapierkrieg. Seemeilennachweise und Meilenbücher. Dann die Rücknahme der Yacht, die Kollegin war sehr freundlich dabei. Wir packen schon die Taschen soweit es geht.
Anschließend besorgen wir Tickets für die Überfahrt nach Ralswiek. Wir werden mit der „Wappen von Breege“ zu den „Störtebeker-Festspielen“ nach Ralswiek übersetzen.
1800 – Wir legen in Breege an, als Zuschauer. Dann genießen wir die Überfahrt im geheizten Salon, bei einer heißen Schokolade. Wir klönen und lassen die spannende Reise revue passieren.
Die Festspiele beeindrucken alle, und die Rückfahrt nach Breege an Deck werden wir sobald auch nicht vergessen.
Samstag, 15. August 2015 –Breege/Rügen
Um 0900 haben wir die „Marie Joelle“ ausgeräumt. Ein Frühstück noch im Steghaus und dann heißt es Abschied nehmen. Es waren 12 wunderschöne Tage.
Danke, an die Crew, das Schiff und alle Götter, die uns solch tolles Wetter geschenkt haben.
Tageswerte: 631,4 sm, davon 339,5 sm gesegelt.
Fotoalbum zur Reise auf Facebook http://www.segeln-mit-herz.de wir auf YouTube